Der schwarze König Melchior
Allmählich verbreitete sich das Gerücht von dem wundersamen Kinde mit dem Schein um sein Haupt und drang bis in die fernsten Länder. Dort lebten drei Könige als Nachbarn, die seltsamerweise Kaspar, Melchior und Balthasar hießen, wie heutzutage ein Roßknecht oder ein Haustier. Sie waren aber trotzdem echte Könige und was noch merkwürdiger ist, auch weise Männer. Nach dem Zeugnis der Schrift verstanden sie den Gang der Gestirne vom Himmel abzulesen, und das ist eine schwierige Kunst, wie jeder weiß, der einmal versucht hat, hinter einem Stern herzulaufen.
Diese Drei also taten sich zusammen, sie rüsteten ein prächtiges Gefolge aus und dann reisten sie eilig mit Kamelen und Elefanten gegen Abend. Tagsüber ruhten Menschen und Tiere unter Felsen in der steinigen Wüste, und auch der Stern, dem sie folgten, der Komet, wartete geduldig am Himmel und schwitzte nicht wenig in der Sonnenglut, bis es endlich wieder dunkel wurde. Dann wandelte er von neuem vor dem Zuge her und leuchtete feierlich und zeigte den Weg. |
Auf diese Art ging die Reise gut voran, aber als der Stern über Jerusalem hinaus gegen Bethlehem zog, da wollten ihm die Könige nicht mehr folgen. Sie dachten, wenn da ein Fürstenkind zu besuchen sei, dann müsse es doch wohl in einer Burg liegen und nicht in einem armseligen Dorf. Der Stern geriet sozusagen in Weißglut vor Verzweifelung, er sprang hin und her und wedelte mit dem Schweif, aber das half nichts. Die drei Weisen waren von einer solchen Gelehrtheit, daß sie längst nicht mehr verstehen konnten, was jedem Hausverstand einging.
Indessen kam auch der Morgen herauf und der Stern verblich. Er setzte sich traurig in die Krone eines Baumes neben dem Stall und jedermann, der vorüberging, hielt ihn für nichts weiter als eine vergessene Zitrone im Geäst. Erst in der Nacht kletterte er heraus und schwang sich über das Dach. Die Könige sahen ihn beglückt, Hals über Kopf kamen sie herbeigeritten. Den ganzen Tag hatten sie nach dem verheißenden Kinde gesucht und nichts gefunden, denn in der Burg zu Jerusalem saß nur ein widerwärtig fetter Bursche namens Herodes.
Nun war aber der eine von den Dreien, der Melchior hieß, ein Mohr, baumlang und so tintenschwarz, daß selbst im hellen Schein des Sternes nichts von ihm zu sehen war als ein Paar leuchtende Augäpfel und ein blendendes Gebiß. Daheim hatte man ihn zum König erhoben, weil er noch ein wenig schwärzer war als die anderen Schwarzen, aber nun merkte er zu seinem Kummer, daß man ihn hierzulande ansah, als ob er in der Haut des Teufels steckte. Schon unterwegs waren alle Kinder kreischend in den Schoß der Mütter geflüchtet, sooft er sich von seinem Kamel herabbeugte, um ihnen süße Datteln und Feigen zu schenken, und die Weiber würden sich bekreuzigt haben, wenn sie damals schon hätten wissen können, wie sich ein Christenmensch gegen Anfechtungen schützt.
Als letzter in der
Reihe trat Melchior zaghaft vor das strahlende Kind
und warf sich zur Erde. Ach, hätte er jetzt nur ein
kleines weißes Fleckchen zu zeigen gehabt oder
wenigstens sein Innerstes nach außen kehren können ! Er
schlug die Hände vor´s Gesicht, voll Bangen, ob sich
auch das Gotteskind vor ihm entsetzen würde. Weil er
aber weiter kein Geschrei vernahm, wagte er ein wenig
durch die Finger zu schielen, und wahrhaftig, er sah den
holden Knaben lächeln und die kleinen Hände nach seinem
Kraushaar ausstrecken. Über die Maßen glücklich war der schwarze König ! Nie zuvor hatte er so großartig die Augen gerollt und die Zähne gebleckt von einem Ohr zum anderen. Melchior konnte nicht anders, er mußte die kleinen Füße des heiligen Kindes umfassen und alle seine Zehen küssen, wie es im Morgenlande der Brauch war. |
Als er aber die Hände wieder löste, sah er das Wunder: - - sie waren innen weiß geworden ! Und seither haben alle Mohren helle Handflächen, geht nur hin und seht es euch an und grüßt sie brüderlich.
Karl Heinrich Waggerl, übertragen von Peter Kahllund, Rosendahl 2001