S n u r r d i b u r r
Oh Muse! Reiche
mir den Stift, den Faber
in Nürnberg fabrizieren muß!
Noch einmal satt´le mir den
harten Traber,
den alten Stecken-Pegasus!
Nu jüh! - So reiten wir zu Imker
Drallen
und zu Christinen, welche schön,
und zu Herrn Knörrje, dem sie
sehr gefallen,
und dessen Neffen, dem Eugen!
I.
Sei mir
gegrüßt, du lieber Mai,
mit Laub und Blüten mancherlei!
Seid mir gegrüßt, ihr lieben
Bienen,
vom Morgensonnenstrahl beschienen!
Wie fliegt ihr munter ein und aus
in Imker Dralles Bienenhaus
und seid zu dieser Morgenzeit
so früh schon voller Tätigkeit.
Für Diebe ist hier nichts zu
machen,
denn vor dem Tore stehn die
Wachen.
Und all´ die wacker´n
Handwerksleute
die hauen, messen stillvergnügt,
bis daß die Seite sich zur Seite
schön sechsgeeckt zusammenfügt.
Schau! Bienenlieschen in der
Frühe
bringt Staub und Kehricht vor die
Tür;
Ja! Reinlichkeit macht viele
Mühe,
doch später macht sie auch
Pläsier.
Wie zärtlich sorgt die Tante
Linchen
für´s liebe kleine Wickelkind.
"Hol´ Wasser", ruft sie, "liebes Minchen,
und koch den Brei, und mach
geschwind!"
Auch sieht die Zofen man, die
guten,
schon emsig hin und wider gehn;
denn Ihre Majestät geruhten,
höchstselbst soeben aufzustehn.
Und nur die alten Brummeldrohnen,
gefräßig, dick und faul und
dumm,
die ganz umsonst im Hause wohnen,
faulenzen noch im Bett herum.
"Hum!" brummelt so ein alter Brummer,
"was, Donner! Ist es
schon so spät!?
He, Trine! Lauf einmal
herummer
und bring uns Honigbrot
und Met!" -
"Geduld", ruft sie , "ihr alten Schlecker!"
Und fliegt zu Krokus, dem
Bienenbäcker. -
"Hier diese Kringel,
frisch und süße",
so lispelt Krokus, "nimm sie hin;
doch höre, sei so gut und
grüße
Aurikelchen, die
Kellnerin!"
Hier steht Aurikel in der Schenke
und zapft den Gästen das
Getränke.
Als sie den Brief gelesen hat,
da schrieb sie auf ein Rosenblatt:
Schnell fliegt
das Bienchen von Aurikel
zu Krokus mit dem Herzartikel. -
Jetzt heim! - Denn schon mit
Zorngebrumme
rumort und knurrt die Drohnenbrut:
"Du dumme Trine! Her
die Mumme! -
Wenn man nicht alles
selber tut!"
II.
Hans Dralle hat
ein Schwein gar nett,
nur ist´s nicht fett.
Es schnuppert keck in allen Ecken
und schabt sich an den
Bienenstöcken.
Die Bienen kommen schnell herfür
und sausen auf das Borstentier.
"U´ik!
U´ik!"
- So hat´s geschrien. -
Hans Dralle denkt: "Wat hett dat Swien?!"
Wie staunt Hans Dralle, als er´s
da
schön abgerundet stehen sah! -
Der Schweinekäufer geht vorüber:
"Was wollt Ihr für das
Schwein, mein Lieber?"
"So´n twintig Daler,
heff ik dacht!"
"Hier sind sie, fertig,
abgemacht!"
Hans Dralle denkt sich still und
froh:
"Wat scheert dat mi!
He wull dat ja!"
Er stellt sich flugs vor seine
Bienen
und pfeift ein altes Lied von
ihnen:
"Fliege, liebe Biene,
fliege
über Berg und Tal
auf die Blumen hin und wiege
dich im Sonnenstrahl.
Kehre wieder, kehre wieder,
wenn die Kelche zu;
leg´ die süße Bürde nieder
und geh´ auch du zur
Ruh!"
"Ei, ei! Was soll
denn dieses geben?!
Zwei Bienen schon mit
Wanderstäben?!"
Hans Dralle schaut in´s
Immenloch:
"Wat Deuker! Hüte
swarmt se noch!"
Die Luft ist klar, die Luft ist
warm.
Hans Dralle wartet auf den
Schwarm.
Ihm wird so dumm und immer dummer;
Hans Dralle sinkt in sanften
Schlummer.
"Tüt, tüt! Sim,
sim!" So tönt es
leise.
Im Bienenstocke her und hin;
es sammelt sich das Volk im
Kreise,
denn also spricht die Königin:
"Auf, Kinder!
Schnürt die Bündel zu!
Er schnarcht, der alte
Staatsfilou! -
nennt sich gar noch
Bienenvater!
Ein schöner Vater! Sagt,
was tat er?
Und wozu taugt er?
Aus seinem Stinkehaken
raucht er! -
Ist ein Gequalm und ein
Geblase,
ewig hat man den Dampf in
der Nase! -
Da hält man sich nun im
Sommer knapp,
schleppt und quält und
rackert sich ab;
denkt sich was
zurückzulegen,
in alten Tagen den Leib zu
pflegen . . .
Jawohl!
Kaum sind Kisten und
Kasten voll,
trägt uns der Schelm den
Schwefel in´s Haus
und räuchert und bläst
uns das Leben aus. -
Kurtzum! Er ist ein
Schwerenöter! -
Ein Honigdieb und ein
Bienentöter! -
D´rum auf! Und folgt der
Königin!!"
"S n u r r d i b u r r
!" Da geht er
hin!
III.
Zuweilen
brauchet die Familie
als Suppenkraut die Petersilie. -
Und da nun grad Christine Dralle
heut morgen auch in diesem Falle,
so sieht man sie mit Wohlgefallen
in ihres Vaters Garten wallen. -
Herrn Knörrjes Garten liegt
daneben;
und ach! sie denkt an Knörrje
eben.
Zu Anfang schätzt sie ihn als
Lehrer,
dann aber immer mehr und mehrer;
und also schlich die süße Pein
sich peu á peu in´s Herz hinein
-
Die Liebe - meistens schmerzlich
heiter -
vergißt gar leicht die
Suppenkräuter;
sie liebt vielmehr die
Blumenkelche,
und auch Christine pflückt sich
welche.
Aurikel - Krokus - diese Guten
sind so vereint, eh´ sie´s
vermuten.
Christine aber läßt sich nieder
unter´m Flieder. -
Herr Knörrjes Neffe, der Eugen,
hat dies mit Freuden angesehn;
denn dieser Knab´ von vierzehn
Jahren,
so jung er ist und unerfahren,
fühlt doch, obschon noch
unbewußt,
ein süßes Ahnen in der Brust. -
Behutsam schleichend, auf der
Lauer,
drückt er sich an die
Gartenmauer;
dann plötzlich macht er einen
Satz,
und - pitsch! - Christine kriegt
´n Schmatz.
Und - schwapp! - da tönt´s im
tiefen Baß:
"Ha, Ungetüm, was
ist denn das ?!!"
Herr Knörrje schlägt mit seinem
Stabe,
und tief gekränkt entflieht der
Knabe.
Herr Knörrje aber faßt an´s
Kinn
Christinen, seiner Nachbarin.
Er hebt es leise in die Höh´-
Ach ja! Und sie errötete! -
"Hier,
diese Blumen, darf ich´s wagen?" -
Christine wagt nicht, nein zu
sagen.
Jetzt faßt er sanft ihr um das
Mieder.
Ach ja! Und sie errötet wieder.
Und jetzt, da gibt er gar zum
Schluß
dem süßen Mädchen einen Kuß.
"Ade! Und also so um
zehn
beim Bienenhaus! Auf
Wiedersehn!"
Eugen, der horcht, bemerkt mit
Schmerzen
das Einverständnis dieser Herzen.
-
IV.
Nun steht er da
und schreit und lärmt:
"He, Nachbar he! De Imme
swaermt!"
Hans Dralle, der noch immer
schlief,
als Eugen so heftig rief,
erwacht aus seinem sanften Traum -
da hängt der Schwarm im
Apfelbaum!
Schnell Kappe her und Korb und
Leiter,
sonst fliegt er noch am Ende
weiter!
Gar wohl vermummt, doch ohne
Bangen
hat er den Schwarm bereits
gefangen;
hoch oben steht er kühn und
grade,
da sticht´s ihn in die linke
Wade.
Oh je! - Die erste Sprosse bricht,
denn viel zu groß ist das
Gewicht;
und - kracks! - ist er
herabgeschossen
durch alle sieben Leitersprossen.
Die Bienen aber mit Gebraus
"S n u r r d i b u r
r", sausen um´s
Haus.
Zwei Knaben sitzen an der Pfütze
und spritzen mit der
Wasserspritze. -
Die Bienen kümmern sich nicht
d´rum,
sie sausen weiter mit Gebrumm.
Den Besen schwingt die alte Grete,
der Kirmesanton bläst Trompete.
Ernst, Fritz und Wilhelm pfeifen,
schrei´n;
der Schwarm läßt sich darauf
nicht ein.
Jetzt ist er oben am Kamin,
der Schornsteinfeger sieht ihn
ziehn.
Jetzt geht er über´s
Kirchendach;
"Krach!" - schießt der Förster hinten nach.
Jetzt hinkt Hans Dralle auch
daher;
und jetzo sieht man garnichts
mehr. -
"Mi argert man", denkt er, "wat dat
mien Naver Knörrje seihen
hatt."
X.
Die Nacht ist
warm, die Menschen träumen,
und leise flüstert´s in den
Bäumen,
und leise schleicht der
Mondenschein
in Dralles Garten sich hinein. -
Von seinem
Dämmerlicht beschienen,
in Gras und Blüten, summen
Bienen.
Die feiern heut´ bei des Mai´ns
Beginn
das Hochzeitsfest der Königin.
Schon sitzen im hohen Rosensaal
die Königin und der Prinzgemahl.
Sie winkt - da schießet mit
Getos´
der Bombardeur den Böller los.
"Zing, zing!
Traromm!" - Und
auf der Stelle
ertönen die Klänge der
Hofkapelle.
Die Fliege blies Trompete,
der Mück Klarinette,
die Hummel die Trummel,
der Heuschreck die Geigen;
das gab fürwahr einen lustigen
Reigen. -
Schau! Holzbock, der Lange,
ist eifrig im Gange
mit Bienchenlieschen
auf zierlichen Füßchen -
und da der Kleine
mit Minchen, dem Bienchen,
rührt auch die Beine. -
Und seht mir nur das nette
Trinchen!
Da macht ja wohl Herr Schröter
den angenehmen Schwerenöter!
Im Apfelbaum sitzt auch der Mond
und hat dem Feste beigewohnt. -
Nun waren da auch zwei
Maienkäfer,
recht nette Bübchen,
doch blöde Schäfer;
die rauchen und trinken im
Nebenstübchen,
bis das sie im nassen Grase liegen
und können nicht mehr nach Hause
fliegen.
Der Wächter Schuhu findet sie.
Er spricht: "Aha, das sind ja die!! -
Schon wieder mal!!" -
Und bringt sie in sein Wachtlokal.
Der Mond, der auch nicht recht
mehr munter,
hüllt sich in Wolken und geht
unter.
Wilhelm Busch, 1832 bis 1908 - revidiert von Peter Kahllund, Rosendahl 2000
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