Die Schöpfung der Maya

Das "Popol Vuh", das heilige Buch der Maya wurde niedergeschrieben, lange bevor die Maya in Guatemala mit den Europäern und der über den Ozean mitgebrachten christlichen "Bibel" in Berührung kamen. Im "Popol Vuh" stehen folgende Worte:

"Hier ist nun zu berichten, wie einst die Welt in tiefem Schweigen schwebte, in tiefer Ruhe schwebte, in Stille verharrte, sanft sich wiegte, einsam dalag und öde war. Und dies ist die erste Kunde, die erste Aussage: Es gab keinen Menschen, kein Tier . . . - - einzig und allein der Himmel war da.

Unsichtbar war das Antlitz der Erde, einzig und allein das Meer staute sich unter dem Himmelsgewölbe, das war alles. Kein Ding gab es, das sich zu etwas gestaltet hätte, das auch nur ein wenig sich hätte vernehmen lassen, kein einziges, das sich ein wenig geregt, das gerieselt oder gerauscht hätte im Himmel; rein nichts gab es, was gewesen wäre, was ein Dasein gehabt hätte. Nur Wasser staute sich, nur das Meer lag ruhig da, eine einzige Stauung, rein nichts gab es, was etwa sonst noch gewesen wäre. Nur Ruhe war und Stille in Dunkelheit und Nacht."

Erinnert das nicht höchst auffällig an die Genesis der Bibel: "Und die Erde war öde und leer, und Finsternis lag über dem Abgrund, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern . . ." Es klingt fast so, als ob beide Geschichten aus einer Quelle stammen, von der das Urvolk der Maya einst abwanderte oder zu der es mal Handelskontakte gab. Das "Popol Vuh" der Maya fährt mit seinem Schöpfungsbericht fort, in freier Übersetzung etwa so:

"Die alten Mayagötter langweilten sich in dieser regungslosen Unendlichkeit. Zwar waren ihrer mehrere, doch kann man auch endloser theologischer Diskussionen überdrüssig werden, zumal es ihnen an Publikum fehlte. Darum schieden sie die Wasser, und die Erde tauchte auf. Dann machten sie sich daran, sie mit Bäumen und Blumen zu schmücken und die neugeborene Welt großzügig mit Vögel und Fische und allerhand anderen Tieren zu beleben.

Nun hatten die Götter etwas für das Auge, was sie alsbald in bessere Laune versetzte. Nach einiger Zeit wurde ihnen allerdings klar, daß sie etwas Wesentliches vergessen hatten: Die Tiere konnten nicht sprechen! Sie waren nicht einmal imstande, den Göttern zu danken, die sie in die Welt gesetzt und die für Futter und Trank gesorgt hatten. Der Gott, dem die Tiere unterstanden, mußte sich ernsthafte Vorwürfe von Seiten der anderen gefallen lassen. Dann machte sich eine neue Mannschaft anīs Experimentieren. Sie formte einen gottähnlichen Menschen aus feuchtem Lehm. Der konnte zwar sprechen, hatte aber nicht genug Verstand, um diese Gabe nach dem Wunsch der Götter zu gebrauchen. Also wurde er auf den Abfallhaufen geworfen.

"Eventus stultorum magister!" erklärte einer der Götter, denn er konnte nachträglich Latein. Damit meint er: "Erfahrung macht den Dummen klug!" Er schlug einen neuen Versuch vor, nur sollte diesmal Holz verwendet werden, ein etwas edleres Material als Lehm. Tatsächlich ging es diesmal besser. Der hölzerne Mann konnte nicht nur sprechen, sondern auch denken. Man gab ihm eine hölzerne Frau, und sie vermehrten sich und verbreiteten sich über die Erde, der einzige Haken dabei war, daß sie vergaßen, ihren Verstand gemäß dem Willen der Götter zu verwenden. Sie waren so sehr damit beschäftigt, zu essen, zu trinken und hölzerne Kinder in die Welt zu setzen, daß sie den himmlischen Mächten auch nicht einen Gedanken weihten. Sie benahmen sich keinen Deut besser als die Tiere.

Da beschlossen die Götter, mit der ganzen Bevölkerung der Erde kurzen Prozeß zu machen. Das "Popol Vuh" berichtet von einer Sintflut, und obwohl die Holzmenschen ja schwimmen konnten und keine Arche brauchten, erging es auch ihnen schlecht. Sie mußten auf den höchsten Bäumen Zuflucht suchen, und als die Wasser wieder sanken, hatten sie völlig vergessen, daß sie eigentlich am Boden beheimatet waren. Sie wurden zu den Vorvätern der Affen, die heute noch in den Bäumen des Dschungels leben und sich dumm und vulgär benehmen (nur kein Neid). Doch ihnen schenkten die Götter keine Beachtung mehr.

Die Götter waren der Experimente müde. Der energischte von ihnen aber erklärte, er wolle noch einen letzten Versuch unternehmen. Diesmal beschloß er, einen Menschen aus Maismehl zu formen. Um allfälligen Fehlern beim Formen vorzubeugen, schuf er mit der gleichen Form vier Exemplare. Diesmal war der Versuch ein voller Erfolg: Die vier neuen Menschen konnten sowohl sprechen, als auch ihre Schöpfer preisen. Nur stellten sie sich als so intelligent heraus, daß die Götter sich Sorgen machten und erklärten, nun sei es des Guten etwas zuviel. Also riefen sie den Gott der Winde Hurakan, nach dem die ärgsten Stürme, die Hurrikane, benannt sind. Hurakan blies dicke Wolken vor die Augen der allzu klugen Menschen und vernebelte ihren Blick, so daß sie künftig nur zu sehen vermochten, was auf der Erde vorging, während die Götter im Himmel fortan in Frieden leben konnten.

Die vier frisch erschaffenen Maismenschen versanken nach den ersten Anstrengungen in tiefen Schlaf. Wie der christliche Gott, der seinerzeit einsah, daß es für den Menschen nicht gut sei, allein zu sein, benutzten auch die Mayagötter den Schlaf der vier Männer dazu, eine, zwei, drei, vier Frauen zu erschaffen. Bereits am nächsten Morgen hörten die vier Maismänner beim Aufwachen ein rhythmisches Klapp-klapp: Die Maisfrauen waren dabei, frische Tortillas für das Frühstück zu bereiten.

Die Götter wiegten sich bequem in ihren Hägematten, ließen ihre Blicke über die Erde schweifen und fanden alles sehr gut. Das Volk der Maya aber stammt von diesen vier Maispaaren ab.

Nun ist sicherlich Vieles nach und nach durch die christlichen Missionare die diese Legende eingeflossen?

gekürzte Wiedergabe von Peter Kahllund, Rosendahl 2001

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