150 Jahre "Nord - Ostsee - Bahn"
Die erste Eisenbahnstrecke der Welt wurde 1825 in England zwischen Darlington und Stockton (ca. 15 km, in Durham südlich von Newcastle) eröffnet. Die erste Eisenbahn in Deutschland führte 1835 rund 6 km von Nürnberg nach Fürth. Nur zwei Jahre später bildeten sich in Flensburg, Husum und Tönning Komitees für eine Eisenbahn zwischen den Städten. 1840 wurde diese Strecke (ca. 70 km) schon vermessen, jedoch der Bau unterblieb zunächst wegen Geldmangel.
Hinter diesen Plänen stand der Wunsch, eine Querverbindung zwischen der Nord- und Ostsee zu schaffen mit Schiffsanschluß nach Kopenhagen und mit dem besonderen Ziel, den Viehexport auf kürzestem Wege zum Ausfuhrhafen Tönning und von da aus nach England verschiffen zu können. Von Tönning wurden schon im Jahre 1852, also noch vor Inbetriebnahme der "Nord- Ostsee- Bahn", ca. 20.000 Stück Hornvieh und ca. 16.000 Schafe nach England verschifft. Eine der beiden englischen Seetransportfirmen, die "Northern- Steam- Packet- Company" (Nord- Dampf- Paket- Gesellschaft) in Lowestoft nördlich von Harwich, ließ sich nach Konzessionserteilung ab 1852 durch die englische Baufirma "Peto, Brassey & Bretts" diese Bahnstecke bauen und auch betreiben.
Die treibende Kraft
war "Samuel
Morton Peto", einer der größten
Eisenbahnunternehmer seiner Zeit. Er erreichte auch den
Bau der Abzweigung von Ohrstedt- Bahnhof über Treia-
Holm, über Klosterkrug bei Schleswig und Owschlag nach
Rendsburg. Zur Finazierung des Unternehmens war die "Flensburg- Husum-
Tönniger- Eisenbahn- Gesellschaft" gegründet worden, die den
Bertrieb der Linie dann an die Engländer verpachtete. Die Bahn Tönning- Husum- Flensburg hieß amtlich "Frederik VII. Südschleswigsche- Eisenbahn", wurde aber meist kurz "Schleswigsche-" oder auch "Englische- Bahn" genannt. Nach nur zwei Jahren Bauzeit war sie fertig ! Die Bahn wurde ab dem 4. Oktober 1854 betrieben, aber erst drei Wochen später durch den Besuch des dänischen Königs eingeweiht. Schienennetz in SH von 1864 |
Wenn der dänische König, der bis 1864 Landesherr war, diese Bahn benutzte, so wurde dänischer Flaggenschmuck angeordnet. In seinem "Alt- Husumer- Bilderbuch" schreibt "Felix Schmeißer" darüber: "Und damit der Eindruck einer dänischen Stadt erweckt wurde, hatten die Anwohner der Süderstraße auf Befehl des alten Kapitäns "Hakon Grüner", des gestrengen dänischen Bürgermeisters, den Danebrog hinter ihren Häusern, nach der Lämmerfenne zu, ausgestreckt, und nicht anders war das Bild um den Husumer Hafen." Von dort fuhr das Königspaar gelegentlich per Schiff zum Seebad "Wyk auf Föhr".
Die Strecke von Husum nach Tönning verlief damals noch etwas anders, nämlich westlich der B 5. Sie führte am Hafendeich entlang in Richtung alte Halbmondwehle und bog dann nach Süden ab durch den Darrigbüll- und Leglichheitskoog an der Voßkuhle vorbei nach Platenhörn. Da, wo die alte Bahnlinie die Abzweigung von der B 5 in Richtung Simonsberg kreuzte, etwa 300 m westlich der heutigen Gastwirtschaft "Voßkuhle", stand ein Bahnwärterhaus. Man kann von dem Punkt aus heute noch den etwas erhöhten Verlauf der alten Bahnlinie verfolgen. Im Zuge des Neubaus der "Marschbahn- Altona- Heide- Husum- Tondern", die 1887 vollendet wurde, erhielt die Tönninger Bahnstrecke ab Platenhörn in Richtung Husum den heutigen Verlauf.
Der erste Bahnhof für Husum wurde 1852 bis 54 auf Rödemisser Gebiet gebaut, und zwar eben westlich von dem 1910 in Betrieb genommenen Hauptbahnhof. Der erste Bahnhof steht heute noch an der Poggenburgstraße, und zwar hart am Bahndamm der neuen Brücke über die Zufahrt nach Rödemis. In Husum war damals während des Bahnbaus eine kleine Kolonie von englischen Arbeitern und Angestellten untergebracht. |
|
Übrigens wurde beim Bau des dritten Husumer Hauptbahnhofs von 1910 davon gesprochen, den ersten Bahnhof von 1854 abzureißen, "da das alte, unschön und etwas baufällig gewordene Bahnhofsgebäude einen allzu augenfälligen Kontrast bilde", wie die Husumer Nachrichten vom August 1910 schrieben. Nur gut, daß die Bahn immer wieder Verwendung für dieses Gebäude gefunden hat. So ist uns dieses Zeugnis englischen Bahnhofbaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten geblieben. Der zweite Husumer Bahnhof der "Marschbahn" von 1887 an der Deichstraße gelegen, wurde allerdings im Zuge der Weststraße 1998 abgebrochen.
In Rosendahl ging die "Nord- Ostsee- Bahn" dicht am alten Dorf vorbei, und so mußte ein Hof dem Bahnbau weichen. Es war der Hof von "Carsten Jensen", der in der Erklärung zur Karte von 1835/36 als Rechensmann, also Bürgermeister genannt wurde. Dieser Hof trug die Nummer 1 und lag etwa da, wo heute das Haus Bahnweg 14 steht. Er wurde an der heutigen Husumer Straße neu aufgebaut. Der Bahnhof für Rosendahl wurde nicht im Dorf, sondern auf Rosendahlfeld eingerichtet und lag damit näher an Schwesing und Ipernstedt, als an Rosendahl. Entsprechend wurde er amtlich "Schwesing- Bahnhof" genannt. Schwesing- Bahnhof, im Volksmund "Swesing-Anhool" genannt, wurde 1857 in Betrieb genommen; war seit 1962 nur noch Bedarfshaltestelle und wurde 1981 ganz stillgelegt. Wurde aber ebenfalls nicht abgebrochen, sondern wird heute privat bewohnt und zeigt hier somit auch noch ein schönes Beispiel des englischen Baustils.
Zur Zeit wird diese Strecke, die den Verkehr über Jübek und Schleswig nach Rendsburg und Kiel aufgenommen hat, überwiegend mit kleinen Regionalzügen im Pendelverkehr 6 bis 7 mal täglich befahren. Es sind sogenannte Wendezüge, die also eine Steuerung an beide Enden haben, sodaß sich für die Rückfahrt nur der Fahrer umzusetzen braucht und also langwieriges Rangieren entfällt. Bis 1990 fuhr dazu täglich noch ein Eilzug Kiel- Husum- Westerland/Sylt und retour, mit ca. fünf bis sechs Reisewagen. |
Außerdem im Sommer am Wochenende ein Sonderzug von Lübeck- Westerland und retour. Und fast täglich ca. 4 Uhr in den frühen Morgenstunden der Güterzug von Hamburg- Rendsburg- Westerland, aber nicht retour. |
Heute fahren nun die modernen Triebwagen der privaten "Nord- Ostsee- Bahn" diese Strecke Husum- Schleswig- Rendsburg- Kiel und auch die Anschlußstrecke Husum- Tönning- Sankt Peter- Ording im Stundentakt von ca. morgens 5 Uhr bis nachts 24 Uhr !? (Aber Fortschritt ist hier wohl auch relativ, denn nur wenige Züge sind besetzt. Die Züge halten hier auch nur in Schleswig und Rendsburg).
Den Spuren dieser einst international bedeutsamen Strecke ist "Peter Suchand" 1982 gefolgt, als er Lowestoft in England aufsuchte, das um 1850 große Handelsbeziehungen zu Tönning an der Eider unterhielt. In seinem Bericht für die Husumer Nachrichten führt er aus, daß der Reisende mit Hilfe von Schiff und Bahn diese Strecke Lowestoft- Tönning- Flensburg- Kopenhagen in ca. 48 Stunden bewältigen konnte ! P. Suchand vergleicht dies mit der Gegenwart und schreibt: "Wer heutzutage - wie ich - dazu den Bahn-/Schiffsverkehr Kopenhagen über Hamburg- Hoek v. Holland- Harwich/England wählt, der ist übrigens kaum schneller am Ziel, als vor 130 Jahren. - - Fortschritt ist eben ein relativer Begriff."
Doch der erhoffte Transit- Verkehr entwickelte sich nur mäßig. Der Deutsch- Dänische- Krieg 1864 und der Anschluß Schleswig- Holsteins an Preußen ab 1866 und an das Deutsche Reich ab 1871, ließen den Reiseverkehr und Handel mit Dänemark erlahmen. Und der Husumer Viehhandel wandte sich von England ab und dem Deutschen Reich zu, weil die Engländer zunehmend mit Rücksicht auf ihre Überseegebiete den Handel über Tönning einschränkten, bis hin zur Einfuhrsperre für lebendes Vieh im Jahre 1888.
Aber diese kleine Erinnerung an die "Nord- Ostsee- Bahn", eine der ältesten Eisenbahnverbindung von Europa, ist es doch wohl wert bekannt zu werden und gefeiert zu werden !
von Peter Kahllund, "Alte Schmiede" Schwesing-Bahnhof, Rosendahl 2001
PS. schauen Sie sich doch mal bei der jetzigen Nord-Ostsee-Bahn um