H e r b s t a b e n d

Wenn ich abends einsam gehe

und die Blätter fallen sehe,

Finsternisse nieder wallen,

ferne, fromme Glocken hallen:

 

Ach, wie viele sanfte Bilder,

immer inniger und milder,

Schatten längst vergang´ner Zeiten,

seh´ ich dann vorübergleiten !

 

Was ich in den fernsten Stunden,

oft nur halb bewußt, empfunden,

dämmert auf in Seel´ und Sinnen,

mich noch einmal zu umspinnen.

 

Und im inneren Zerfließen

mein´ ich´s wieder zu genießen,

was mich vormals glücklich machte,

oder mir Vergessen brachte.

 

Doch, dann frag´ ich mich mit Beben:

Ist so ganz verarmt dein Leben ?

Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen,

sprich, was war es einst dem Herzen ?

 

Völlig dunkel ist´s geworden,

schärfer bläst der Wind aus Norden,

und dies Blatt, dies kalt benetzte,

ist vielleicht vom Baum das letzte.

 

Friedrich Hebbel 1813 - 1863

zurück in den Oktober

schauen Sie auch gerne mal bei Meister Friedrich Hebbel in Wesselburen, im nördlichen Dithmarschen vorbei

oder unter http://www.hebbel-museum.de/