Die Reise des Gilgamesch

Das Erstaunlichste an dieser Dichtung ist wohl, daß sie zwei Jahrtausende nahezu unverändert überliefert wurde. Im Mittelpunkt des Epos steht Gilgamesch, der sagenumwobene König von Uruk, dem "Erech" der Bibel, aus dem Anfang des dritten Jahrtausend v.Chr. "der alles sah" und "alles wußte", das "Verborgene" und das "Geheime" erschaute, und "Kunde über die Tage vor der Sintflut brachte", "auf einem fernen Weg ging, dabei ermüdete, wieder umkehrte und allī seine Mühsal auf eine Steinsäule meißelte." Wer sich diesen Worten nicht verschließt, der mag erahnen, daß der Dichter sich nun anschickt, Unaussprechliches, Geheimnisvolles zu enthüllen und doch zugleich mit Worten zu verhüllen, so daß kein Uneingeweihter den tiefen Sinn ergründen kann.

Nach dem Prolog führt uns der Dichter, noch vor der eigentlichen Handlung, nach Uruk hinein und zeigt uns die große Stadtmauer aus gebrannten Ziegeln, die Gilgamesch erbauen ließ, und "Eanna", den strahlenden Tempel Ischtars, der Göttin von Uruk.

Die Handlung selbst beginnt damit, daß Gilgamesch, der "Hirte" von Uruk, kraftstrotzend wie ein "Wildstier" die Einwohner Uruks bedrängt. Sie klagen den Göttern ihr Leid und werden erhört. Die Göttin Aruru erschafft dann auf Befehl des Anu, des höchsten Gottes, den Enkidu >Widder<, einen vollkommenen Helden, der vom Gebirge herabkommt und in der Steppe mit den Tieren in friedlicher Eintracht lebt. Er befreit sie aus den gefährlichen Fallen eines Jägers, nährt sich von Kräutern und Früchten und eilt ohne Scheu mit dem Wild zur Tränke.

Der aufgebrachte Jäger beklagt sich erst bei seinem Vater und dann bei Gilgamesch über Enkidu und erhält den Rat, die Dirne Schamchat mit zur Tränke zu nehmen. Sie soll Enkidu mit ihren verführerischen Künsten dem freien Leben in der Natur entfremden. Enkidu erliegt den weiblichen Reizen und teilt sechs Tage und sieben Nächte mit der Dirne das Lager. Als er endlich um sich schaut, muß er feststellen, daß die Gazellen aufspringen und das Wild vor ihm flieht; auch vermag er "nicht mehr wie zuvor" zu laufen, seine Knie versagen ihm. (watīn Wunner !)

Er kehrt schließlich zornig um und hört der Dirne zu, die ihm von Gilgamesch und den Freuden des Stadtlebens erzählt. Daraufhin will Enkidu nach Uruk ziehen und Gilgamesch >Stier< zum Kampf herausfordern. Ehe Enkidu jedoch vom Gebirge herabkam, hatte Gilgamesch zwei prophetische Träume über Enkidu, die Gilgameschs Mutter Ninsun so deutete, daß die beiden Helden sich begegnen und Freundschaft schließen würden.

Als Enkidu auf der Straße von Uruk einhergeht und von den Bewohnern Uruks bestaunt wird, trifft er auf Gigamesch, der mit der Göttin Ischchara die "Heilige Hochzeit" begehen will. Enkidu versperrt ihm das Tor mit dem Fuß. Es kommt zum Kampf. Doch während des Zweikampfes verraucht plötzlich Enkidus Zorn, und die beiden Helden werden Freunde.

Danach sehen wir Enkidu mit tränenerfüllten Augen und völlig geschwächt. Gilgamesch ermuntert den neu gewonnenen Freud und schlägt ihm vor, zum weit entfernten Zedernberg zu ziehen, um den schrecklichen Chumbaba zu töten und die hohe Zeder inmitten des Zedernwaldes zu fällen (für die heilige Sonnenwendfeier).

Enkidu warnt jedoch vor Chumbaba, da er ihm schon begegnet sei, als er noch im Gebirge mit dem Wild umherstreifte; außerdem bewache ein Wächter den Eingang zum Zedernwald, und jeder, der in den Wald hinabsteigen wolle, werde gelähmt. Aber Gilgamesch ist fest entschlossen, Chumbaba zu töten und läßt sich Waffen für dieses gefährliche Unternehmen schmieden. Selbst die Ältesten der Stadt können Gilgamesch nicht von seinem Entschluß abbringen.

Ehe Gilgamesch und Enkidu zum Tor von Uruk hinausziehen, gehen sie noch zum Palast Ninsuns, der Mutter Gilgameschs. In einer dunklen Zeremonie adoptiert sie Enkidu, der damit nicht nur Freund, sondern auch Bruder des Gilgamesch geworden ist.

Nun marschieren die beiden Brüder >Zwillinge< los. Unterwegs im Gebirge machen sie Rast, und Gilgamesch wird von prophetischen Träumen geschüttelt. Nach langer Wanderung gelangen sie in die Nähe des Zedernwaldes; Enkidu mahnt nun Gilgamesch zur Eile, weil der Wächter des Waldes sechs Panzermäntel abgelegt hat und nur einen anbehalten habe >Krebs<. Der Wächter wird überwältigt, und dann steigen die beiden Helden in den Zedernwald hinab. Aber Enkidu wird plötzlich von unsagbarem Schmerz gepackt und ist gelähmt. Nur langsam klingt die Lähmung ab. Doch schließlich kann Enkidu wieder gehen. Die beiden Helden dringen weiter in den Wald ein, bis sie schließlich dem schrecklichen Chumbaba >Löwe< Auge in Auge gegenüberstehen. Es kommt zu einem erbitterten Kampf. Gilgamesch verwundet Chumbaba mit dem Schwert am Hals, aber erst Enkidu gelingt es, Chumbaba das Haupt abzuschlagen.

Gilgamesch fällt nun die unbewachte Zeder, wäscht sich, zieht seinen Mantel an, setzt die Königsmütze auf und begibt sich auf den Heimweg nach Uruk. Da kommt ihm die Göttin Ischtar >Jungfrau< entgegen und wirbt um seine Liebe. Aber Gilgamesch lehnt ihre Zuneigung ab, da sie bereits Tammuz, ihren Jugendgeliebten, jährlich zum Weinen gebracht und weiteren Liebhabern Leid zugefügt habe.

Ischtar ist ob dieser Schmähungen so sehr beleidigt, daß sie zum Himmel aufsteigt und ihren Vater Anu, den Gott des Himmels, bittet, ihr den Himmelsstier zu überlassen, damit er Gilgamesch in Uruk töte. Anu warnt seine Tochter vor Jahren der Mißernte, gibt ihr aber nach einigem Zögern den Stier, den Ischtar dann nach Uruk hinabführt. Der Stier stürmt gegen Gilgamesch und Enkidu an, aber Enkidu packt den Stier am Schweif, Gilgamesch ergreift die Hörner des Stiers und trifft ihn mit seinem Schwert sicher im Nacken. Den getöteten Stier legen sie vor dem Sonnengott nieder.

Ischtar steigt voll Zorn auf Uruks Mauer und stößt ein Wehgeschrei aus. Enkidu reißt daraufhin dem Stier die rechte Hinterkeule aus und wirft sie der Göttin von Uruk vor die Füße. Die Hörner des Stiers voll Salböl hängt Gilgamesch dankbar in das Schlafgemach seines Schutzgottes Lugalbanda. Dann feiern die beiden Helden ein Freudenfest und schlafen ein (die großen Sternbilder Taurus, Orion Gilgamesch und Sirius Ischtar gehen im Westen unter).

Jäh erwacht Enkidu aus einem Traum, der ihn erschreckt. In seinem Traum hielten die großen Götter Anu, Enlil, Ea und der Sonnengott Schamasch Gericht über Gilgamesch und Enkidu. Das Urteil lautet auf Tod für Enkidu, während Gilgamesch freigesprochen wird. Und tatsächlich liegt Enkidu bald danach zwölf Tage und zwölf Nächte krank auf seinem Lager und stirbt (abnehmender Mond und Neumond). Gilgamesch stimmt vor Schmerz eine Wehklage über den dahingegangenen Bruder an und läßt ihn sieben Tage nicht begraben, in der Hoffnung, daß er doch noch zum Leben zurückkehre.

Der unerbittliche Tod seines Freundes mahnt Gilgamesch, daß auch ihn ein gleiches Geschick treffen wird und aller Ruhm ihn nicht davor bewahren kann. Von Todesfurcht geplagt, läuft er in die Steppe auf der Suche nach dem Sintfluthelden Utnapischtim, (der dem biblischen Noah entspricht). Dem Epos zufolge war Utnapischtim als einziger Sterblicher nach der Sintflut lebend zu den Göttern entrückt worden.

Auf dem gefahrvollen Weg gelangt Gilgamesch nach unsäglichen Strapazen zum Maschu-Gebirge, das von riesigen Skorpionmenschen bewacht wird. Sie warnen ihn vor dem finsteren Berginneren, das noch kein Sterblicher heil durchschritten habe, geben aber schließlich dem Klagen und Seufzen Gilgameschs nach und lassen ihn "auf dem Weg des Sonnengottes inīs Bergtor" der Tag- und Nachtgleiche >Waage< eintreten, bewacht vom >Skorpion<. In dichtester Finsternis durchwandert Gilgamesch das Gebirge, bis er nach 24(?) Stunden bei strahlendem Sonnenschein in einen Garten mit Edelsteinbäumen (Weihrauch?) gelangt, der unweit vom Meere gelegen ist.

Am Gestade des Meeres lebt einsam und verhüllt die göttliche Schenkin Siduri >Schütze<. Als sie den in Felle gekleideten, abgezehrten Gilgamesch sieht, erschrickt sie und verriegelt das Tor. Gilgamesch droht, das Tor zu zerschlagen, wenn sie nicht öffnet. Dann bittet er Siduri, ihm den Weg zu Utnapischtim zu weisen. Aber die Schenkin rät ihm umzukehren, da seit Urzeiten kein Mensch über das Meer zu gehen vermochte. Da erscheint, gerade rechtzeitig Urschanabi >Steinbock<, der Schiffer Utnapischims, am Ufer. An ihn wendet sich Gilgamesch mit der dringlichen Bitte, ihn zu Utnapischtim zu bringen. Gemeinsam besteigen die beiden das Schiff und nachdem sie auch die "Gewässer des Todes" passiert haben, kommen sie wohlbehalten zu dem Ort, an dem sich Utnapischtim >Wassermann< ewigen Lebens erfreut.

Gilgamesch möchte wissen, wie Utnapischtim das ewige Leben erwarb. In einer berühmten Passage erzählt nun Utnapischtim die Geschichte der Sintflut: "Auf den Rat des Gottes Ea hatte er eine Arche gebaut, die ihn durch die Wasser der Sintflut hindurch rettete. Die Arche landete schließlich am Berg Nisir. Um zu erkennen, ob die Wasser gesunken waren, ließ er zuerst eine Taube, danach eine Schwalbe und zuletzt einen Raben fliegen. Als Dank für die Rettung brachte er den Göttern auf dem Berge ein Opfer dar, worauf er vom Berge hinweg an diesen Ort, fern an der Mündung der Ströme (Euphrat und Tigris), entrückt wurde."

Als Utnapischtim geendet hat, führt Urschanabi Gilgamesch zum Waschort, damit er seinen beschmutzten Leib reinige. Utnapischtim gibt ihm ein neues Gewand und verrät ihm das Geheimnis einer stacheligen Pflanze, die in dem nahen Abgrund "Apsu" wächst und ewige Jugend verleiht. Da bindet Gilgamesch schwere Steine an seine Füße und wird in die Tiefe gezogen. Er findet wahrhaftig die Pflanze. Rasch schneidet er die Steine von den Füßen los und wird von der Meeresströmung weit entfernt anīs Ufer geworfen. Zusammen mit dem Schiffer Urschanabi wandert er in Richtung Heimat. Am Abend machen sie Rast. Da geschieht das Unheil: Während Gilgamesch in einem Brunnen hinuntersteigt, um sich in dem kühlen Wasser zu baden, kommt eine Schlange herauf, stiehlt die Pflanze und - - häutet sich bei ihrer Rückkehr >Fische<. Wir erfahren noch, wie Gilgamesch vor Urschanabi klagt, daß nun allī seine Mühsal vergeblich war.

Dann, mit dem Einzug Gilgameschs in Uruk und dem Lob auf die Mauer von Uruk und den Tempel der Ischtar, endet das Epos, wie es begonnen hatte.

Widder

21.03. bis 20.04.

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Stier

21.04. bis 20.05.

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Zwillinge

21.05. bis 21.06.

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Krebs

22.06. bis 22.07.

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Löwe

23.07. bis 23.08.

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Jungfrau

24.08. bis 23.09.

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Waage

24.09. bis 23.10.

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Skorpion

24.10. bis 22.11.

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Schütze

23.11. bis 21.12.

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Steinbock

22.12. bis 20.01.

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Wassermann

21.01. bis 19.02.

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Fische

20.02. bis 20.03.

So wurde schon vor mehr als 4000 Jahren mit einer glorreichen Erzählung die Beschreibung des wandelbaren Sternenhimmels fixiert, sodaß die Eingeweihten sich in der Wüste bzw. auf dem Meer orientieren konnten und die Bauern nach dieser Kalendierung säen und ernten konnten. 1849 hatte Austen Henry Layard unter dem Trümmerhügel von Kujundschik am linken Tigrisufer, Mossul gegenüber, das uralte Ninive wiederentdeckt. Im Südwestpalast Sanheribs stieß er auf zwei kleinere Räume, in denen Tontafeln herumlagen, die offenbar bei der Zerstörung und Einäscherung Ninives im Jahre 612 v.Chr. von den Holzregalen zu Boden gefallen und dort zweieinhalb Jahrtausende liegengeblieben waren, bis der englische Archäologe sie vom Wüstensand befreite - - zwei Jahrzehnte bevor der deutsche Heinrich Schliemann in Hissarlik am Bosporus das Troja Homers ausgraben sollte. Als George Smith im Jahre 1872 die Tafeln im British Museum in London sichtete, entdeckte er darunter ein Tafelbruchstück, welches den >chaldäischen Bericht< einer Sintflut in Keilschrift enthielt, der - - wie er bald herausfand - - zur elften Tafel des >Gilgamesch- Epos< gehörte ! - - Wenn nun wiedermal 2500 Jahre vergehen, was bleibt von unseren Disketten und CDs erhalten, wer kann dann noch HTML entziffern, wird das Internet noch existieren ?

Peter Kahllund, "Alte Schmiede" Schwesing-Bahnhof 2001

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