Heilige Insel Fosetisland

Zu den ungelösten Rätseln der Geschichte gehört die immer wieder aufgeworfene Frage nach der Belegenheit der heiligen Insel, die stets auf´s neue Gelehrte aller Länder in ihren Bann zieht und anregt, ihre Lage nachzuspüren. Die Insel, deren Fruchtbarkeit auf´s höchste gerühmt wird, bildete den kulturellen und damit auch wohl politischen Mittelpunkt eines wohlhabenden Volkes. Die besondere Bedeutung des Eilandes liegt darin, daß sich dort das Heiligtum der Göttin "Phoseta" erhob und diese uns in eine besondere religiöse Welt hineinführte, in den Kult der "Hertha", der Mutter Erde, die bereits in der römischen Kaiserzeit durch "Tacitus" in seiner vielgenannten "Germania" als die höchste Gottheit von sieben nordischen Volksstämmen gepriesen wird. Die Lösung der Aufgabe ist aber auch deshalb von größter Bedeutung, weil sie mit der viel erörterten Frage nach der Herkunft der Nordfriesen, der Zeit ihrer Einwanderung und der ältesten nordfriesischen Geschichte auf das engste verknüpft ist.

Die älteste Nachricht über die heilige Insel enthält die "vita S. Willibrordi", die von dem Abt "Alkuin", einem Verwandten "Willibrords", verfaßt ist. "Alkuin" ist 735 in York geboren und 804 zu Tours in Frankreich gestorben. Später ist die "vita S. Willibrordi" von "Theofrid", Abt von Epternach, überarbeitet. "Willibrord", dessen Leben mit der heiligen Insel verknüpft war, hatte dort um 690 n.Chr. gewirkt.

Das Leben des heiligen Willibrord von Alkuin.

übersetzt von W.Wattenbach 1941

Es versuchte auch der Mann Gottes, über die Grenzen des Frankenreiches hinaus die Ströme der himmlischen Lehre zu leiten. Denn er fürchtete sich nicht, "Rabbod", damals König der Fresonen, der mit seinem Volke noch ein Heide war, aufzusuchen, und überall, wohin er kam, verkündete er das Wort Gottes mit aller Zuversicht. Aber der Friesenkönig nahm zwar den Mann Gottes in Demut freundlich auf, doch konnte er mit keinerlei Lebenswort sein steinernes Herz erweichen. Und als der Mann Gottes erkannte, daß er bei ihm keine Frucht erzielen konnte, wandte er sich mit dem Wort des Evangeliums zu den überaus wilden Völkern der Dänen. Da aber herrschte, wie man berichtet, "Ongendus", ein Mann, der grausamer war als jedes wilde Tier und härter als jeder Stein; aber dennoch empfing er auf Gottes Geheiß den Verkünder der göttlichen Wahrheit ehrenvoll. Als dieser erkannte, daß das Volk in seinen Sitten verhärtet war, dem Götzendienst ergeben und ohne Hoffnung auf ein besseres Leben, nahm er dreißig Knaben aus diesem Lande zu sich, und beeilte sich, mit diesen zu den von Gott auserwählten Völkern des Frankenreiches heimzukehren. Schon auf der Reise selbst unterrichtete er die Knaben und wusch sie rein in dem Quell des Lebens, damit er nicht wegen der Gefahren der langen Seefahrt oder durch die Nachstellungen der wilden Bewohner jenes Landes irgend einen Verlust an ihnen erlitte, indem er den Listen des alten Feindes zuvorkommen und die neugewonnenen Seelen mit den Sakramenten des Herrn sichern wollte.

Felseninsel Helgoland

Und während der fromme Prediger des Wortes Gottes auf dieser Reise sich befand, kam er an die Grenze zwischen den Dänen und den Fresonen zu einer Insel, welche nach einem Gott Fosite, den sie verehren, von den Bewohnern Fositesland genannt wurde, weil auf ihr Heiligtümer dieses Gottes erbaut waren. Dieser Ort wurde von den Heiden mit solcher Verehrung betrachtet, daß keiner von ihnen etwas von dem Vieh, welches dort weidete, oder von anderen Dingen zu berühren wagte, noch auch aus der Quelle, welche dort sprudelte, das Wasser anders als schweigend zu schöpfen sich erlaubte. Dorthin wurde der Mann Gottes durch einen Sturm verschlagen und blieb einige Tage da, nachdem der Sturm sich gelegt, günstiges Wetter zur Fahrt wiederkehrte. Er verachtete aber die thörichte Scheu vor der Unantastbarkeit jenes Ortes und fürchtete nicht den wilden Sinn des Königs, welcher jeden Verletzer der Heiligthümer jenes Ortes dem grausamsten Tode zu weihen pflegte, sondern taufte drei Menschen in jener Quelle unter Anrufung der heiligen Dreieinigkeit, und ließ von dem Vieh, welches dort weidete, zu seinem Bedarf schlachten. Als die Heiden das sahen, glaubten sie, daß sie entweder in Wahnsinn verfallen oder durch plötzlichen Tod zugrunde gehen würden. Da sie aber sahen, daß ihnen nichts Übles widerfuhr, ergriff sie Schreck und Staunen, sie berichteten jedoch dem König "Rabbod", was sie gesehen hatten.

Dieser geriet in große Wuth gegen den Priester des lebendigen Gottes und gedachte die Beleidigungen seiner Götter zu rächen. Drei Tage lang warf er immer dreimal nach seiner Gewohnheit das Loos, niemals aber konnte, da der wahre Gott die Seinigen verteidigte, das Loos der Verdammten auf den Knecht Gottes oder auf einen der Seinigen fallen; nur einer von seinen Gefährten wurde durch das Loos bezeichnet und mit dem Martyrium gekrönt. Der heilige Mann aber wurde zum Könige gerufen und viel von ihm gescholten, warum doch er seine Heiligthümer verletzt und seinen Gott beleidigt habe. Ihm entgegnete der Herold der Wahrheit mit festem Muth: "Nicht ein Gott ist es, den Du verehrst, sondern der Teufel, welcher Dich, oh König, in den schlimmsten Irrwahn verwickelt hat, um deine Seele dem ewigen Feuer zu übergeben. Denn es ist kein Gott außer dem Einen, welcher Himmel und Erde erschaffen hat, das Meer und alles, was darin ist, und wer diesen in wahrem Glauben verehrt, der wird das ewige Leben haben."

Weitere Nachrichten enthält die vom Bischof von Münster "Altfrid" um 840 verfaßte "vita S. Liudgeri". "Liudger", der auf der heiligen Insel gepredigt hatte, war 809 gestorben.

Das Leben Liudgers, Bischof von Münster, von Altfrid.

übersetzt von G.Grandaur 1941

Nach Verlauf von zwei Jahren und sechs Monaten kehrte er in sein Vaterland zurück und drang sein Ruf bis zu den Ohren des glorreichen Fürsten "Karl". Dieser ernannte ihn zum Lehrer bei dem Volke der Friesen und setzte ihn auf der Ostseite des Flusses Labeki über fünf Gaue, deren Namen folgende sind: Hugmerthi, Hunusga, Fivilga, Emisga und Federitga, und über eine Bant genannte Insel. Er war aber, nachdem ihm die Herde Gottes zu sorgfältigem Unterricht übergeben worden, bemüht, ihr das Wasser der reinen Lehre zu spenden, die Götzentempel zu zerstören und allen Schmutz des früheren Irrglaubens zu entfernen. Auch strebte er, den Strom der Lehre weiter zu verbreiten, und fuhr, nachdem er mit dem Kaiser darüber Rath gepflogen, nach einer kleinen, zwischen den Friesen und Dänen gelegenen Insel, welche nach dem Namen ihres falschen Gottes "Fosete", Fosetesland heißt. Als er derselben schon nahe war und das Kreuz in der Hand, dem Herrn Bitt- und Dankgebete darbrachte, sahen die, welche im selben Schiffe waren, einen dichten schwarzen Nebel von der Insel abziehen, nach dessen Abzug sich große Heiterkeit über dieselbe verbreitete. Da sprach der Mann Gottes: "Seht ihr, wie durch die Barmherzigkeit Gottes der Feind vertrieben wurde, der früher diese Insel mit seinem Nebel verfinstert hat?" Nachdem sie aber auf der Insel angekommen waren, zerstörte er die Tempel des "Fosete", welche dort erbaut waren, und errichtete an ihrer statt eine Kirche Christi. Und nachdem er die Bewohner im Glauben an Christus unterrichtet hatte, taufte er sie, den Namen der heiligen Dreifaltigkeit anrufend, in der Quelle, die dort sprudelte, in welcher der heilige "Willibrord" früher drei Menschen getauft hatte und aus der bis dahin kein Einwohner anders als stillschweigend Wasser zu holen wagte. Denn er hob den Sohn eines Fürsten mit Namen "Landrich" aus dieser Quelle, den er in der Lehre des Heils unterrichtete und zum Priester weihte und der jahrlang bemüht war, die Friesen zu unterrichten. Darauf kam auf Anstiften der Bösen wieder die Nacht eines weitverbreiteten Abfalls über die östlichen Friesen, dessen Anstifter "Unno" und "Eilrat" waren; die Kirchen wurden verbrannt und die Diener Gottes vertrieben. Als aber die Sonne der Gerechtigkeit wieder strahlte, wurden die Finsternisse des herrschenden Irrthums vertrieben, so daß nach Verlauf eines Jahres der heilige "Liudger" mit den Seinen jenem Volke die Speise des Glaubens ohne Unterlaß austheilte, und mit Hilfe Gottes verharrten sie auch im Glauben, den sie damals annahmen.

Die beste Beschreibung des heiligen Landes hat uns der um 1040 geborene "Adam" von Bremen in seiner "Hamburgischen Kirchengeschichte" überliefert.

Adam von Bremen, Hamburgische Kirchengeschichte.

übersetzt von Laurent [bearbeitet von Wattenbach]

Der Erzbischof aber ordinierte aus der Zahl seiner Kleriker für Sliaswig den "Ratolf", für Seland den "Willelm", für Fune den "Eilbert", der, wie man erzählte, ein bekehrter Seeräuber war und die Insel Farria, welche in der Mündung des Elbflusses in ferner Einsamkeit im Ocean (Nordsee) verborgen liegt, zuerst entdeckt und durch Anlegung eines Klosters daselbst bewohnbar gemacht haben soll. [Diese Insel liegt Hadeloe (Hadeln) gegenüber. Die Länge derselben erstreckt sich auf kaum 8 Meilen, die Breite auf vier. Die Bewohner bedienen sich zum Brennen des Strohes und der Schiffstrümmer. Es geht die Rede, daß Seeräuber, wenn sie einmal von da auch nur die geringste Beute hinweggeführt hatten, entweder bald darauf durch Schiffbruch umgekommen, oder im Kampfe erschlagen seien; keiner sei ungestraft heimgekehrt. Daher pflegen sie den dort lebenden Eremiten mit großer Ehrfurcht den Zehnten ihrer Beute darzubringen.]

Diese Insel aber ist sehr fruchtbar an Getreide, eine sehr reiche Ernährerin von Vögeln und Vieh. Sie hat einen einzigen Hügel, keinen Baum, ist von den schroffesten Klippen eingeschlossen, hat keinen Zugang außer nur einen, wo auch süßes Wasser (die heilige Quelle) sich befindet; ein allen Seefahrern, zumal aber den Seeräubern ehrwürdiger Ort. Daher hat sie den Namen Heiligland bekommen. Aus dem Leben des heiligen "Willibrord" lernen wir, daß die Insel Fosetisland genannt werde und auf der Grenze zwischen den Dänen und den Friesen liege. Es liegen auch noch andere Inseln Friesland und Dänemark gegenüber, aber keine von ihnen ist so merkwürdig.

Anmerkung: In diesem Ocean, der bereits vorher (Kap.1) erwähnt wurde, liegt die Insel, die eigentlich Fosetisland heißt, jetzt aber den Namen Farrien oder Heiligland führt. Sie ist von England um eine Ruderfahrt von drei Tagen entfernt. Übrigens liegt sie dem Lande der Friesen nahe, und unserer Wirrahe (Weser), so daß man sie von da aus liegen sehen kann.

Anmerkung: Der erste Bischof in Fiunien war "Rehinter", der zweite der Mönch "Eilbert".

Da zu dieser Zeit um 1000 n.Chr. der westliche Geestwall von Sankt Peter- Ording über Westerheversand und Süder- und Norderoogsand und weiter über Amrum und Sylt bis nach Röm wohl noch einigermaßen Überflutungsschutz bot, kann diese sehr fruchtbare, baumlose Insel sehrgut identisch sein mit der alten Insel Eiderstedt. Sie reichte damals von Tönning bis an die Nordereider bzw. alten Treene, wo auch die Grenze zwischen den Friesen und Dänen verlief. Der einzige Zugang war wohl eine Furt von Mildstedt her, vermutlich bei der sagenhaften Hafensiedlung Myld, die zwischen der Milde und alten Treene lag und in deren Nähe sich auch die heilige Quelle befand. Die Milde war die Verlängerung der Husumerau, die wegen der geologischen Verbindung der Lundenberger Harde mit Schobüll noch im weiten Bogen durch die Südermarsch floß und erst bei Koldenbüttel in die alte Treene mündete. Der einzige Hügel in dieser damals noch unbedeichten Landschaft war wohl die große künstlich aufgeworfene Siedlungswarft Tofting und mit den schroffesten Klippen kann nur Helgoland gemeint sein, daß damals ja auch noch Kreidefelsen besaß. Für die zivilisierten Südländer machte all dies wohl einen sonderbaren, merkwürdigen Eindruck, zumal Windrichtung und Strömungen von Ebbe oder Flut, die tückischen Untiefen im Wattmeer und die zahlreichen Wasserläufe die fremden Seefahrer doch wohl ziehmlich verwirrten. Besonders wohl bei Nebel, aber auch so hatte diese flache Landschaft nicht viele Richtungsmerkmale zu bieten, die großen Kirchtürme fehlten ja noch.

Blick von Husum nach Süden, Osten ist links, 
Westen ist rechts!

nach einem Sonderdruck von Goslar Carstens, berarbeitet von Peter Kahllund, Rosendahl 2001

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PS. schauen Sie sich doch mal im Schiffahrtsmuseum in Husum um,

gegenüber dem neuen Rathaus gelegen oder unter www.schiffahrtsmuseum-nf.de/